Global Advertising: Die Kunst des kleinsten gemeinsamen Nenners

Coca-Cola in Russland. Quelle: Gregor Fischer

Auch im fernsten Land gehört das rote Coca-Cola Banner zur Szenerie. Der Getränkehändler zählt sicher zu den Großmeistern des Global Advertisings. Lesen Sie hier, was es mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner auf sich hat. Wie viel Kunst braucht es, ihn zu finden, ohne zu langweilen?

Die Imagekampagne als Drahtseilakt: standardisierte Werbung für den internationalen Markt

Standardisierte Werbung ist der Streber unter den Kampagnen. Sie ist vergleichbar mit einem harmoniesüchtigen Einserschüler, der es allen recht machen und dabei trotzdem Rock‘ n‘ Roll sein will. Kann das denn funktionieren? Mit harter Arbeit, ja.

Coca-Colas Geniestreich: Die Erfindung des magischen Getränkeautomaten

Wie viel Schweiß in diese Kampagne geflossen sein mag, bleibt wohl ein Rätsel. Dabei ist gerade die Einfachheit der Idee so kolossal gut. Ein Getränkeautomat, der nicht funktioniert, wie er normalerweise funktioniert, sondern der Menschen in irgendeiner Weise zusammenbringt. Auf Youtube lassen sich x-verschiedene Videos der Marke finden, die dieses Prinzip verwenden. Das Tüpfelchen auf dem i: Die Szenen werden live abgefilmt. Die Akteure sind normale Menschen rund um den Globus. Die Freude ist echt – und ansteckend. Außer dem Slogan „Open Happiness“ ist kaum mehr Sprache nötig. Die Bilder übersetzen den Slogan besser als tausend Worte:

Die Herausforderung? Es allen recht machen und trotzdem einzigartig sein

Der kleinste gemeinsame Nenner: Coca-Cola findet ihn im Glück an Freundschaft. Und hat als Unternehmen den Vorteil, diese Emotion schon seit den Anfängen mit der Marke verknüpft zu haben. Denn auch wenn für die standardisierte Werbung starke Pluspunkte wie die enorme Kosteneinsparung oder das weltweit einheitliche Markenimage sprechen – Stolperfallen gibt es viele:

  • Der Ausdruck für Emotion und der Wert, der ihr beigemessen wird, unterscheiden sich von Kultur zu Kultur. Für Werbung ist das problematisch.
  • Auch Symbolsysteme sind verschieden. Liebe wird in unser westlichen Kultur häufig mit rot assoziiert. Für Hindus symbolisiert die Farbe grün die Liebe und in afrikanischen Kulturen blau. Eine spannende Infografik zu Farben in verschiedenen Kulturen zeigt den emotionalen Farbkasten der Welt.
  • Werbekampagnen versuchen meist, eine Unique Selling Proposition (USP) zu vermarkten. Wichtig dabei ist, dass kein anderer Mitbewerber dieselbe USP bereits belegt. Hier auf vielen verschiedenen Märkten erfolgreich ein Produkt zu beseelen und ein Alleinstellungsmerkmal einheitlich zu besetzen, ist eine große Herausforderung.
  • Bekannte Persönlichkeiten, beliebte Sportarten, Mythen, Geschichten – Bezüge auf den Kleister, der eine Kultur zusammenhält, sind für standardisierte Werbung tabu. Jedes Bezugssystem ist kulturell und somit unbrauchbar.

Im Global Advertising siegt Bild über Wort

Bildkommunikation unterstützt durch wenige, treffende Worte – dahin geht der Trend schon lange in der Werbebranche. Der Anspruch, dem diese Bilder im Global Advertising gerecht werden müssen, ist enorm. Ein Slalomlauf im Dienste des konstanten Stils, überzeugen, ohne anzuecken. Alle sollen das Bild verstehen – und mehr als das – es lieben und genießen. Am besten noch: in den Social Networks verschicken und viral gehen lassen. Unmöglich?

Die Weltmärkte: immer gleicher oder immer individueller?

Auf den Märkten werden sich die Marken immer ähnlicher. Wo Qualität und Preis in etwa gleichwertig sind, entscheidet allein das Markenimage über den Kauf. Ein Streitpunkt beschäftigt seit den 1980ern die Marketingexperten: Ähneln sich auch die Zielgruppen immer mehr?

Die einen sprechen von länderübergreifenden Konsumentengruppen, die anderen von der Individualisierung der Lebensstile. Ein Grundsatzstreit, der auch die Frage über standardisierte oder differenzierte Werbung mitbestimmt. Global Player sprächen auf der ganzen Welt ein und dieselbe Zielgruppe an, behaupten die einen. Insbesondere für Technik und Maschinen eigne sich daher die standardisierte Werbung, die von einem gleichbleibenden Markenauftritt profitiert. Der Streit ums Image wird zum Kampf um die Marktmacht.

Der Mittelweg: Die Umbrella-Kampagne

Coca-Cola schätzt die Einsparung durch standardisierte Werbung auf acht Millionen Dollar pro Jahr. Doch eine globale Kampagne ist so aufwändig, dass nur spezialisierte weltweit agierende Agenturen eine solche Aufgabe übernehmen können. Gerade die Medienvielfalt verlangt nach ausgezeichneten Marktkenntnissen, wie es nur Agenturen bieten, die auf verschiedenen Märkten gut vernetzt sind.

Auch das Internet stellt Unternehmen heute vor neue Herausforderungen. Lokalisierung heißt das Zauberwort: eine homogene bildliche Gestaltung mit lokal angepassten Elementen verbunden mit sprachlicher Anpassung mittels Transkreation. So kann eine Kampagne adaptiert werden und sich an lokale Gegebenheiten anpassen.

Während die Melodie beibehalten wird, arbeitet HARIBO in verschiedenen Ländern mit transkreiierten Slogans:

  • Deutschland: „HARIBO macht Kinder froh – und Erwachsene
    ebenso“
  • Spanien: „Vive un sabor mágico – ven al mundo HARIBO”
    Erlebe einen magischen Geschmack – komm zur Welt von
    HARIBO
  • England, USA, Australien, Schweden u. a.: „Kids and grown-ups
    love it so – the happy world of HARIBO” Kinder und Erwachsene
    lieben sie so – die fröhliche Welt von HARIBO
  • Italien: „HARIBO è la bontà – che si gusta ad ogni età” HARIBO
    ist die Köstlichkeit – die man in jedem Alter genießt
  • Portugal: „HARIBO doces sabores – para os pequenos e os maiores”
    HARIBO leckere Süssigkeiten – für jung und alt
  • Frankreich: „HARIBO, c’est beau, la vie – pour les grands et les petits”
    HARIBO das Leben ist schön – für die Großen und die Kleinen

Kultur: ein entscheidender Faktor in der Werbung

Es ist faszinierend, wie sehr Kultur in der Werbung mitmischt. Das Wirtschaftslexikon stellt fest: 8 % der Unternehmen setzen auf Global Advertising, 36% adaptieren ihre Werbung und 56% kombinieren und arbeiten mit einer Umbrella-Kampagne. Welche Erfahrung haben Sie gemacht?

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C’est beau, la vie!

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Bildquelle: Gregor Fischer

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